Madagaskar hat eine der höchsten Armutsraten weltweit und ist eines der am stärksten von der Klimakrise betroffenen Länder der Welt. Wiederkehrende politische Unruhen prägen seine Geschichte, seine einzigartige Biodiversität ist in Gefahr und Infektionskrankheiten erschweren das Leben der Madagassen.

Madagaskar liegt im Indischen Ozean. Im Westen des Landes liegt die Strasse von Mosambik, die Meerenge, die die Insel vom afrikanischen Kontinenten trennt. In Madagaskar leben 25.6 Millionen Einwohner. Fast 40 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt. Die Hauptstadt Madagaskars ist Antananarivo und liegt im zentralen Hochland. Die Insel ist – nach Grönland, Neu Guinea und Borneo – sogar die viertgrösste Insel der Welt. Manchmal wird sie darum als achter Kontinent bezeichnet. Im Zentrum von Madagaskar gibt es ein Hochplateau mit Bergen. Der Rest der Insel ist eher flach. Wegen seines roten Bodens wird sie auch die rote Insel genannt. Das Land ist der weltweit grösste Produzent von Vanille. So hängt der Weltmarktpreis von Vanille von der madagassischen Produktion ab. In Madagaskar gibt es circa 20 verschiedene ethnische Gruppen. Die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen werden in Madagaskar „Foko“ genannt. «Sie werden nach ihrer Beschäftigung bezeichnet. So gibt es die Fischer, die Viehzüchter und die Reisbauer», erklärt Anicet. Die grösste ethnische Gruppe sind die aus Südostasien stammenden Merina. Danach folgen die Betsimisaraka und die Betsileo. Die Madagassen führen das Zusammenleben der verschiedenen Ethnien nach der Grundhaltung von „Fihavanana“. Dabei geht es darum, dass man einander respektiert, egal von welchem Ursprung man ist. «Fihavanana ist das was alle Madagassen zusammenhält», sagt Anicet. Anicet ist in Zentralmadagaskar, ausserhalb der Stadt Antsirabe bei seinen Grosseltern aufgewachsen. Die Gegend, in der Anicet aufgewachsen ist, ist sehr ärmlich und dörflich. Das Leben findet auf der Strasse statt, sodass sich die ganze Nachbarschhaft kennt. «Die Madagassen sind „Muramura“ und das heisst sie sind langsam. Sie nehmen sich unglaublich viel Zeit für alles. Es läuft nicht immer alles, wie es sollte, aber am Schluss läuft es trotzdem. Zudem sind sie unglaublich zurückhaltend und haben sehr viel Respekt vor älteren Menschen», erzählt Anicet. Seine Muttersprache ist Malagasy. Es ist die Landessprache und die ursprüngliche Sprache der Volksgruppe der Merina. Es ist eine austronesische Sprache, die aber auch Bantu-Wörter beinhaltet. Weiter gibt es in Madagaskar andere indigene Sprachen. Französisch ist neben Malagasy ebenfalls eine offizielle Amtssprache. Anicet spricht fliessend Französisch. Denn sobald die madagassischen Schüler ihr Schulgelände betreten, müssen sie auf Französisch sprechen. «Das ist wirklich sehr streng geregelt. Dadurch habe ich die Sprache sehr schnell gelernt», erzählt Anicet. In Madagaskar sind traditionelle Religionen noch sehr präsent. Die Menschen partizipieren einen ausgeprägten Ahnenkult. Ihr Gott ist Zanahary. Über die Hälfte sind Anhänger indigener Religionen. Der Rest ist vor allem christlich. Sieben Prozent sind muslimisch, sie leben eher im Norden der Insel. Anicet ist christlich aufgewachsen. In der Schweiz hat er gemerkt, dass das Christentum, welches er auf Madagaskar ausgeübt hatte, sich aber von dem hiesigen stark unterscheidet, denn es wird sehr fest mit dem Ahnenkult und traditionellem Glauben vermischt.

Anicets Mutter und Grossmutter
Anicet mit seinen Klassenkameraden

Vor mehr als 150 Millionen Jahren brach Madagaskar vom afrikanischen Kontinent ab. Isoliert vom afrikanischen Kontinent entwickelten sich einzigartige Tierarten. Die Insel wurde erst vor ungefähr 2’300 Jahren von Menschen besiedelt und ist somit einer der letzten Orte, der von Menschen besiedelt wurde. Die ersten Menschen, die auf die Insel gekommen sind, stammen aus Malaysia und Indonesien. In der madagassischen Kultur finden sich darum heute viele indonesischen Elemente. So spielt Reis eine bedeutende Rolle. Er ist ihr Grundnahrungsmittel und wird, wie in Südasien, in Terrassen angebaut. Später kamen die Araber. Sie brachten den Islam nach Madagaskar. Danach entdeckten die afrikanischen Bantu die Insel und zuletzt die Europäer. Anicet ist wie viele Madagassen ein Mix der verschiedenen Ethnien. Sein biologischer Vater kommt aus einer Volksgruppe, die eher afrikanische geprägt ist und seine Mutter aus einer, die asiatisch geprägt ist. Der erste Europäer, der zur Insel segelte, war der portugiesische Seefahrer Diego Dias, 1500 nach Christus. Er nannte die Insel Sao Lorenco. Noch heute wird die Insel darum teilweise als Lorenzinsel bezeichnet. Später kamen die Briten, Niederländer und Franzosen, mit denen sich der Name der Insel immer wieder änderte. Im 17. Jahrhundert nannten die Einwohner der Insel sie Madagaskar. Da die Insel ideal liegt, um beladene Schiffe von Indien auf dem Weg nach Europa oder umgekehrt zu überfallen, war sie für die Piraten im 17. Jahrhundert, der wichtigste Stützpunkt im indischen Ozean.

Ursprünglich hatte in Madagaskar jedes Dorf seinen eigenen Herrscher. Im 18. Jahrhundert änderte sich das. König Andrianampoinimerina, mit vollständigem Namen König Andrianampoinimerinandraintsimitoviaminandriampanjaka, brachte grosse Teile der Insel unter seine Herrschaft. Sein Regierungssitz hatte der König mit dem 53 Buchstaben langen Namen in Antanarivo. Sein Sohn und Nachfolger Ramada I. öffnete Madagaskar den europäischen Kolonialmächten und liess britische Missionare nach Madagaskar. Durch sie verbreitete sich das Christentum auf der ganzen Insel und löste ein langes Misstrauen gegenüber Europäern aus. Nach dem Tod Ramada I. übernahm seine Gattin Ranavalona die Herrschaft. Ranavalona liess etliche Menschen töten und Christen und Ausländer verfolgen. Ihr Regierungsstil war von Grausamkeit, Angst und Terror geprägt, sodass sie als „Ranavalona die Schreckliche“ in die Geschichte einging. 1883, nach dem ersten Französisch-Madagassischen Krieg, besetzte die französische Armee Madagaskar und beendete die madagassische Monarchie. 1896 wurde Madagaskar trotz erbittertem Widerstand der einheimischen Bevölkerung zur französischen Kolonie. Die Franzosen bauten Eisenbahnnetze, Kanäle und Strassen, um Ressourcen wie Zucker, Kaffee oder Gewürze schnell nach Europa bringen zu können. Die Bevölkerung wurde ausgebeutet, ihre Sprache und Kultur unterdrückt und ihr Zugang zu höherer Bildung wurde ihr behindert. Im Ersten sowie Zweiten Weltkrieg mussten die Madagassen auf der Seite der Franzosen kämpfen. Doch nicht nur die Franzosen hatten Interesse an der grossen Insel im Indischen Ozean. Zwischenzeitlich wurde die Hafenstadt Antsiranana an der Nordküste Madagaskars auch von den Briten besetzt. Im 19. Jahrhundert hatten die Nationalsozialisten eine Zeit lang den Plan, Madagaskar in ein Grossghetto umzuwandeln. Glücklicherweise blieb es aber dabei bloss beim Plan. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg gab es Unruhen gegen die französische Kolonialherrschaft. Nach einem grossen Aufstand 1947, der als erster Schritt der Dekolonialisierung gilt, wurden die Aufstände immer heftiger. 1956 erkämpften sich die Madagassen ein allgemeines Wahlrecht, welches es auch ihnen und nicht mehr nur den Franzosen erlaubte, zu wählen. 1958 stimmten sie für die Autonomie ihres Landes. Danach galt der Inselstaat zwei Jahre lang als autonome Republik in der französischen Community. Am 26. Juni 1960 wurde Madagaskar dann in die komplette Unabhängigkeit entlassen. Aufgrund der französischen Kolonialzeit ist Madagaskar noch heute politisch, wirtschaftlich und kulturell von Frankreich geprägt. Die ehemalige Kolonialmacht ist Madagaskars grösster Export- und Wirtschaftspartner.

Madagaskar ist eines der ärmsten Länder der Welt. 75 Prozent der Bevölkerung leben mit weniger als 1.9 Dollar pro Tag. Wegen der Ausbeutung in der Zeit der Kolonialherrschaft und den späteren korrupten Regierungen lebt ein Drittel der madagassischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze. «Es gibt eine kleine reiche Elite in Madagaskar. Sie bestimmen viel im Land und sind meistens auch politisch aktiv. Der ganze Rest ist arm. Unter ihnen gilt man als reich, wenn man ein Auto besitzt. Aufgrund der grossen Armut spielt in Madagaskar die Familie eine grosse Rolle und bietet Sicherheit in schlechten Zeiten», sagt Anicet. Die Armut wird vom Klimawandel verschlimmert. Wie viele afrikanische Länder, ist Madagaskar sehr betroffen von der Klimakrise. Es gehört sogar zu den am stärksten betroffenen Ländern weltweit. In den letzten Jahren hat die Region unter starken Regenmängeln während der landwirtschaftlichen Saison gelitten. Die Madagassen sind sehr abhängig von natürlichen Ressourcen und Agrikultur. Sie stellen ihre Hauptnahrungsquelle dar. Ungefähr 80 Prozent der madagassischen Bevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt. So sind sie sehr anfällig für Klimaschocks, die den Erntezyklus beeinflussen. Die kontinuierlichen Dürren reduzierten die Ernteerträge der wichtigsten Grundnahrungsmittel Reis, Mais und Maniok massiv. Zusätzlich hat das Wetterphänomen El Niño in den Jahren 2016 und 2017 die Dürren verstärkt. Das Naturphänomen kommt alle vier bis neun Jahre vor. Es führt zu überdurchschnittlich feuchtem Wetter in den einen und überdurchschnittlich trockenem Wetter in anderen Weltregionen. In Madagaskar verstärkte El Niño die bereits aufgrund des Klimawandel langanhaltende Trockenheit. Ende 2019 waren mehr als 2.6 Millionen Menschen von den Auswirkungen der Dürren betroffen und mehr als 916’000 Menschen brauchten sofortige Hilfe zur Nahrungsversorgung. Am stärksten betroffen war der Süden der Insel. Wegen der grossen Nahrungsnot auf der Insel musste sogar Reis importiert werden. Der Zugang zu Trinkwasser, der ohnehin eine Herausforderung darstellt, verschlechterte sich zusätzlich. Madagaskar hat weltweit die vierthöchste Rate an chronischer Unterernährung. Die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren leidet an Wachstumsstörungen. Die steigenden Lebensmittelpreise haben die Familien gezwungen, ihr Vermögen zu verkaufen, die einen sogar ihr ganzes Land, die Anzahl der Mahlzeiten pro Tag zu reduzieren und immer weiter zu reisen, um alternative Einkommensquellen zu finden. Zudem erhöhen die Ernteschäden und Einkommensverluste oft die familiären Spannungen sowie die Wahrscheinlichkeit von Kinderehen und häuslicher Gewalt. Weiter belastet seit 2017 der Befall des Kommandowurms, der ursprünglich von dem nordamerikanischen Kontinent kommt, die madagassischen Felder. Der Klimawandel erhöht zudem die Häufigkeit und Stärke von tropischen Wirbelstürmen, sogenannten Zyklonen, im Indischen Ozean. Im nordwestlichen Atlantik werden diese Wirbelstürme Hurrikans genannt. In Madagaskar führen die wiederkehrenden Wirbelstürme immer wieder zu starken Überschwemmungen und Erdrutschen. Wegen des Zyklon Belna, der mit Windböen von bis zu 130 Stundenkilometern auf das Land traf, verloren im Dezember 2019 über 10’000 Menschen ihre Häuser, mindestens neun ihr Leben.


Zudem gab es Anfang 2019 in Madagaskar einen ungewöhnlich grossen Masernausbruch mit mehr als 127’000 bestätigten Fällen. Die hochansteckende Infektionskrankheit löst hohes Fieber, Husten, Schnupfen und einen Hautausschlag mit roten Flecken aus und kann zu Hirnentzündungen und Blindheit führen und sogar tödlich verlaufen. Opfer der Krankheit werden vor allem Kinder. Medikamente zur Behandlung gibt es nicht. So bietet der Impfstoff, der seit den 1960er Jahren zur Verfügung steht, den einzigen Schutz. Viele Familien können sich die Impfung jedoch nicht leisten. So ist in Madagaskar nur etwa die Hälfte aller Kinder geimpft. Die Schweizer Impfquote gegen Masern lag vergleichsweise zwischen 2017 und 2019 bei 94 Prozent. Die tiefe Impfquote Madagaskars hat es der Krankheit begünstigt, schnell zur Epidemie zu werden. Zudem fiel mit dem Masernausbruch das saisonale Auftreten der Pest zusammen. «Gegen die Krankheiten hat die Regierung bis anhin nicht viel unternommen. Corona hat in Madagaskar 16 Tote verursacht, was nichts ist. Aber durch den internationalen Druck hat die Regierung extrem viel unternommen. Es zeigt: Sie könnten auch sonst viel mehr machen, wenn sie es wollten», bedauert Anicet.

Madagaskar hat eine reiche Biodiversität mit vielen einzigartigen Tieren und Pflanzen. Die bekanntesten Repräsentanten der madagassischen Tierwelt sind die Lemuren mit ihren grossen Kulleraugen und kuscheligem Fell. Einen grossen Teil der madagassischen Flora und Fauna gibt es einzig und allein auf der grossen Insel. So zum Beispiel die Raubkatze Fossa oder den Tenrek, den madagassischen Borstenigel, aber auch zahlreiche Orchideen, Blütenpflanzen und Baumarten. Madagaskar ist ein Paradies für Naturliebhaber, doch die Armut der Menschen, politische Instabilität und Korruption fressen den natürlichen Reichtum der Insel nach und nach auf. Der Naturschutz wurde zwar in der Verfassung als Staatsziel definiert, das Ziel ist aber nicht umsetzbar. Es wird im grossen Stil gerodet, um Nahrung anzubauen und Holz zu gewinnen, da Strom zu teuer ist. Zudem wird gerodet, um an Edelhölzer zu gelangen. «Den Menschen ist die Problematik zu wenig bewusst. Wenn man so arm ist, schaut man, dass man genügend Essen hat. Alles andere ist zweitrangig. Erst wenn die Menschen immer regelmässig Nahrung haben und medizinische Versorgung gewährleistet ist, können sie sich Gedanken zum Naturschutz machen», sagt Anicet. Heute steht nur noch ein Bruchteil der ursprünglich vorhandenen üppigen Wälder Madagaskars. An ihrer Stelle stehen riesige Flächen an Ackerland, Weiden für Rinder und Steppen. Eventuell könnten in den nächsten Jahrzehnten auch noch die letzten Regenwälder schwinden und mit ihnen viele einzigartige Tiere. Diese Entwicklung ist auch in Anicets Heimatort Antsirabe zu beobachten. «Die ganze Hügellandschaft ist durch die Abholzungen zu einer Graslandschaft geworden», erzählt er.

Madagaskars Politik ist von autoritären Führungsstilen und gewaltsamen Regierungsputschen geprägt und wird seit der Unabhängigkeit von immer wieder den gleichen Figuren beherrscht. Den Inselstaat aus der ökonomischen Misere zu führen, gelang bis heute keinem. Als erster Präsident der jungen Republik 1960 wurde Philipp Tsiranana gewählt. Ihm wurde immer wieder vorgeworfen, Wahlen manipuliert zu haben. Zudem wurde kritisiert, seine Politik sei zu sehr an Frankreich ausgerichtet. 1972 musste Tsiranana infolge eines Militärputsches die Macht abgeben. Die Interimsregierung wurde zunächst durch das Militär geführt. 1975 machte es Didier Ratsiraka zum Präsidenten. Mit ihm geriet Madagaskar in eine Diktatur. Dem Land ging es wirtschaftlich zunehmend schlechter und es verschuldete sich massiv. 1993 wurde Ratsiraka gestürzt. Albert Zafy der zwischenzeitlich regierte, konnte keinen Neuanfang herbeiführen. Nach fünf Jahren im Exil kehrte Ratsiraka als Wahlsieger zurück und regierte Madagaskar erneut, bis ins Jahr 2001. 2002 wurde Marc Ravalomanana gewählt. Ravalomanana gelang es, wirtschaftliche und soziale Komponenten in Madagaskar zu verbessern. Gleichzeitig stieg aber die Inflation an. Die Preise für Lebensmittel explodierten und die Armutsrate stieg. Mit diesen Entwicklungen machten sich Unzufriedenheit und Frustration in der madagassischen Bevölkerung breit, die 2009 zu einem blutigen Regierungswechsel und einer tiefen politischen Krise führten. Unter Andry Rajoelina, dem damaligen Bürgermeister von Antananarivo, der Hauptstadt Madagaskars, wurde nach dem wochenlangen Machtkampf Präsident Ravalomanana mithilfe des Militärs gestürzt und der junge oppositionelle Rajoelina übernahm das Zepter. Da der erst 34-jährige Rajoelina gemäss Verfassung zu jung für das Amt war, wurde diese geändert. Der gewaltsame Regierungswechsel wurde international massiv kritisiert. Madagaskar wurde von der Afrikanischen Union sowie der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft, kurz SADC, ausgeschlossen. Der Inselstaat wurde nun nicht mehr nur geografisch, sondern auch politisch isoliert. Die Kriminalitätsrate nahm zu. Im Süden der Insel herrschten zeitweise anarchistische Zustände. Es drohte ein völliger Zusammenbruch der Staatsfinanzen. «Es war eine schlimme Zeit für Madagaskar. Die Folgen dieser Krise sind bis heute zu spüren», so Anicet. 2011 wurde mithilfe des SADC ein Plan zur Beendung der Krise unterschrieben, mit dem der Weg zurück zur Demokratie und zum Rechtsstaat gefunden werden sollte. 2013 kehrte Madagaskar schliesslich zur Verfassungsordnung zurück. Das oberste Gericht entschied, die beiden ehemaligen Rivalen Ravalomanana und Rajoelina nicht als Kandidaten zuzulassen. Es wurden freie, transparente und demokratische Wahlen durchgeführt, infolge derer Henry Rajaonarimampianina 2014 sein Amt als Oberhaupt Madagaskars antrat. «Meiner Meinung nach war er ein guter Präsident. Er konnte das verlorene internationale Vertrauen zurückgewinnen. Es ist schwierig, ein Land, welches am Boden zerstört ist, wiederaufzubauen. Wirtschaftlich hat Rajaonarimampianina nicht viel erreicht und wurde darum nicht wiedergewählt», sagt Anicet. 2019 hat Rajoelina die Präsidentschaftswahlen mit 55.6 Prozent der Stimmen gewonnen und ist seitdem wieder im Amt des Präsidenten Madagaskars. Rajaonarimampianina ist ohne Widerstatt zurückgetreten. Es war das erste Mal in der Geschichte Madagaskars, dass ein friedlicher, demokratischer Regierungswechsel erfolgte, auf den keine politische Krise folgte. Anicet kann auch hinter dem jetzigen Präsidenten stehen und schaut zuversichtlich und hoffnungsvoll in die Zukunft Madagaskars.

Anicets schweizer Vater beim ersten Besuch in Antsirabe
Anicet
Anicet und seine Mutter beim ersten Besuch in Zürich

Im Alter von zehn Jahren ist Anicet, der Liebe seiner Mutter wegen, die sich in einen Schweizer verliebte, in die Schweiz gekommen. Seine Familie in Madagaskar besucht er bis anhin gelegentlich. Definitiv wieder zurück nach Madagaskar zu gehen, kann er sich aber nicht mehr vorstellen. Der heute frisch ausgebildete Primarlehrer möchte aber in Zukunft ein Projekt für Jugendliche in seiner madagassischen Heimat aufbauen. «Die Jugendlichen sind unglaublich ambitioniert und kreativ und haben guten Ideen. Das Projekt soll ihnen einen Raum bieten, ihre Fähigkeiten ausleben zu können.» Für Madagaskar wünscht sich Anicet, dass das, was ein Mensch braucht, um würdig zu leben – wie Nahrungssicherheit und medizinische Versorgung – gesichert ist.